Die Auswirkungen und Einschränkungen durch das Corona Virus hat viele Illustratoren stark getroffen. Aufträge wurde auf Eis gelegt und Veranstaltungen abgesagt. Schwer hatten es natürlich auch Illustratoren die Graphic Recording anbieten. Die also üblicherweise zu Veranstaltungen, Konferenzen oder Workshops reisen um dort zu zeichnen.
Wie Renate und Anna vom Designdoppel mit der Situation umgegangen sind erfährst du hier im Interview...
Wer ist Designdoppel, was macht ihr und was ist besonders an eurem Angebot?
Hi!
Wir sind Anna Penkner und Renate Pommerening und zusammen als „Designdoppel“ unterwegs.
Kennen gelernt haben wir uns im Illustrationsstudium an der HAW Hamburg. Dort haben wir gemerkt, dass uns beiden die Visualisierung auch trockenster und schwierigster Themen Spaß macht – und das machen wir im Kontext von Strategiebildern, Erklärfilmen und eben Graphic Recording bis heute furchtbar gern.
Ihr macht ja schon sehr lange digitales Graphic Recording. Konntet ihr von eurer Positionierung profitieren, als in der Corona Pandemie Liveveranstaltungen nicht mehr möglich waren und sich vieles ins Internet verlagert hat?
Wir können uns schon vorstellen, dass unsere Kunden vermutet haben, dass wir das digitale Recording in Präsenz auch gut in das digitale Remote-Recording übertragen können. Trotzdem war es ja für uns, für die meisten Branchenkolleg*innen und auch unsere Auftraggeber*innen eine sehr neue Sache, an die man sich erst einmal herantasten musste.
Wie funktionieren virtuelle Konferenzen am besten? Wie kann man die Teilnehmenden bei der Stange halten? Und wie bindet man ein Graphic Recording in diesem Kontext am besten ein?
Da wurde natürlich auch viel ausprobiert.
Ihr habt aus dem Podcast mit dem Virologen Drosten auch ein Graphic Recording gemacht. War das ein Auftrag oder wie kam es dazu?
Nein, ein Auftrag war das nicht. Im März 2020 haben wir beschlossen, erst einmal nicht mehr in unserem Atelier zu arbeiten und alles ins Homeoffice verlegt. Zu der Zeit wurden ja auch direkt alle bestehenden Graphic Recording-Aufträge abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben.
Man hatte also ungewollt auch plötzlich viel Zeit, um sich mit dem ganzen Pandemie-Thema auseinanderzusetzen. Mir (Renate) haben da die Podcasts von Christian Drosten sehr geholfen zu verstehen, was eigentlich gerade passiert. Und um mir die komplexen Inhalte besser merken zu können, habe ich eben beim Zuhören mitskizziert. Die entstandene Illustration sollte man also eher als Sketchnote und nicht als Graphic Recording bezeichnen.
Tatsächlich habe ich erst im Nachhinein gedacht, dass es ja auch für andere eine Hilfe sein könnte und die Skizzen dann schon noch etwas aufgehübscht und hochgeladen.
Diesen Podcast höre ich übrigens immer noch sehr gern, allerdings beim Spazierengehen - dabei zu zeichnen ist leider also eher schwierig. Oft denke ich aber beim Zuhören darüber nach, was ich hier und dort wohl zeichnen würde.
Hat sich daraus ein Folgeauftrag ergeben?
Zumindest nicht, dass wir wüssten. Aber das ist ja immer gar nicht so leicht zu sagen. Die Auftragslage im Graphic Recording-Bereich hat sich für uns erst Richtung Herbst stabilisiert und natürlich kann es bei Anfragen immer eine Auswirkung haben, aktuelle Themen im Portfolio zu zeigen.
Zumindest haben sich viele über die Illustration gefreut - und das ist ja auch schon viel wert.
Hat sich an eurer Kalkulation für solche Aufträge etwas geändert, dadurch dass ihr sie online angeboten habt?
Jein. Der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung des Recordings verändert sich ja an sich nicht und wir halten hier auch nichts von Honorardumping.
Natürlich fallen aber Zeiten für Anreise und Abreise weg und das darf man im Angebot durchaus einkalkulieren. Da der Auftraggeber keine Zugtickets oder Hotelübernachtungen bezahlen muss, wird es ja zudem für ihn sowieso etwas günstiger.
Wie lief das dann ab? Konnten die Teilnehmer auch live beobachten, was ihr gezeichnet habt? Oder haben sie das Ergebnis erst nachher sehen können?
Oh, das ist sehr unterschiedlich. Wir zeichnen zumeist auf dem iPad, von dem man das Bild wunderbar auch livestreamen kann.
Dann muss man sich aber auch darüber Gedanken machen, wie viele Informationen man den Teilnehmenden gleichzeitig zumuten kann oder möchte. Recordet man zum Beispiel eine Keynote, muss ja auch die Keynote-Präsentation und vielleicht noch der Speaker zu sehen sein.
Macht dann ein zusätzlicher Bildteil mit Livezeichnung wirklich Sinn oder lenkt das die Zuschauer nicht doch zu sehr vom Vortrag ab? Man kann ja nicht davon ausgehen, dass alle die Veranstaltung mit einem riesigen oder gar mehreren Bildschirmen verfolgen. Bei Gruppendiskussionen oder interaktiven Workshops kann das Livestreaming da schon sinnvoller eingebunden werden.
Sehr häufig haben wir aber zuletzt erlebt, dass das Graphic Recording eher im Hintergrund passiert und dann in den Pausen oder als finale Zusammenfassung eingeblendet wird.
Oder Teilgruppen stellen ihre Ergebnisse anhand des gezeichneten Bildes der ganzen Gruppe vor, auch das ist eine schöne und sinnvolle Sache.
Was macht für euch den größten Unterschied aus, wenn ihr eine Veranstaltung nur online begleiten könnt?
Der größte Unterschied ist für uns beide das fehlende Eintauchen in die Veranstaltung. Man sitzt eben doch „nur“ Zuhause oder im Atelier an seinem Computer und erlebt nicht oder nur kaum die Atmosphäre des Ortes und die Stimmung der Teilnehmenden.
Da geht leider viel verloren!
Uns fehlt auch einfach die Interaktion mit den Menschen vor Ort und das damit normalerweise verbundene Feedback zum Recording. Worüber schmunzeln die Betrachter? Oder was würden sie gern noch ergänzen? Das passiert online einfach nicht in dem Maße.
Im Herbst 2020 war eine von uns ein einziges Mal live bei einem kleinen Workshop dabei und hat gemerkt, wie anders (und schön) es einfach ist, direkt mit den Menschen interagieren zu können.
Live-Veranstaltungen können ja auch sehr stressig sein. Manchmal schauen einem hunderte Leute über die Schulter. Ist das Zeichnen von Online-Sessions nicht manchmal angenehmer und stressfreier?
Ja, es gibt durchaus Vor- und Nachteile. Online-Begleitungen sind für uns meist tatsächlich entspannter, da man weniger beobachtet wird und auch der Reisestress komplett wegfällt.
Allerdings hat die Technik auch manchmal ihre Tücken. Nicht nur, weil die eigene Internetverbindung einmal ausfallen könnte, sondern auch weil viele Kunden noch nicht mit Online-Formaten vertraut sind.
Auch die Distanz zu Ansprechpartnern kann schwierig sein. Das alles kann natürlich ebenso Stress verursachen.
Wie geht es bei euch weiter? Wollt ihr das mit den Remote-Recordings weiterhin machen?
Wir haben uns inzwischen sehr gut mit den Remote-Recordings arrangiert und werden diese sicherlich auch nach der Pandemie weiter anbieten. Für manche Auftraggeber*innen ist dies ja auch nicht nur eine Notlösung, sondern sogar eine sehr positive Entdeckung, da man Reisekosten und -emissionen auf diesem Wege einsparen und trotzdem international Menschen zusammenbringen kann. Das wird also sicherlich in manchen Bereichen bleiben.
Aber wir persönlich freuen uns auch wieder sehr auf den Live-Kontakt und die echte Veranstaltungsatmosphäre!
Was würdet ihr IllustratorInnen raten, die überlegen, in dem Bereich Graphic Recording Fuß zu fassen?
Graphic Recording ist ein sehr spannendes Feld, aber sicherlich auch nicht für jeden Illustrator geeignet. Man darf natürlich keine Scheu vor Menschen und nicht zu viel Lampenfieber haben.
Sicheres und professionelles Auftreten sind hier mindestens genauso wichtig wie die Zeichenfertigkeiten.
Und ganz wichtig: Perfektionismus ablegen!
Ja, mit mehr Zeit und Planung kann man viel schönere Illustrationen abliefern, aber darum geht es beim Recorden eben einfach nicht. Schnell und konzentriert Kernaussagen heraushören können und diese in erkennbare Bildmetaphern zu übersetzen ist das Wichtigste.
Das kann man übrigens super üben, indem man sich das Video eines Vortrags (zum Beispiel TED-Talks eignen sich gut) heraussucht und dieses einfach mal live mitzeichnet. Man kann zwar analog auf Papier zeichnen, doch heutzutage wird es auch unabhängig von der Corona-Pandemie wohl immer wichtiger, sich auch mit den technischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Und so furchtbar kompliziert ist das dann zum Glück auch nicht.
Alles in einem: wir vom Designdoppel haben unsere Entscheidung, mit dem Livezeichnen anzufangen, auf jeden Fall nie bereut und sind damit immer noch sehr glücklich.
Graphic Recording ist ein toller Arbeitsbereich in der Illustration, wenn man gerne herumkommt und Lust hat, sich in die verschiedensten Themen einzuarbeiten.
Man lernt jedes Mal wieder so viel Neues und das macht uns unglaublich viel Freude.
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Mehr Infos über Renate und Anna alias Designdoppel und viele tolle Grafiken findest du auf ihrer Webseite.